Mit Vorsicht in das Tal der Krise

2008 war für die Schweizer IT-Dienstleister mehrheitlich ein gutes Jahr: Die Umsätze sind vielerorts gestiegen und trotz ausgetrocknetem Arbeitsmarkt wurden neue Mitarbeiter angestellt. Die Prognosen für 2009 sind etwas verhaltener, aber weit weniger tragisch als man annehmen könnte. Sicher ist dabei nur eines: die Unsicherheit.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/01

     

2008 war für die Schweizer IT-Branche offensichtlich ein gutes Jahr. Dies zeigt auch die zum Jahresanfang beim IT-Channel durchgeführte Konjunktur­umfrage von IT Reseller: Bei mehr als 83 Prozent aller befragten Unternehmen ist der Umsatz angestiegen, genau die Hälfte hat ihre Mitarbeiterzahl erhöht, bei 41,7 Prozent blieb die Mitarbeiterzahl unverändert und nur gerade 6,3 Prozent haben Stellen abgebaut. 29 von 48 Unternehmen wollen auch nächstes Jahr neue Leute anstellen. Angesichts des immer noch ausgetrockneten Arbeitsmarktes keine schlechten Werte. Doch das Jahr, in dem sich die befürchtete grosse Wirtschaftskrise ankündigte, hat auch zu Vorsicht und entsprechend zu einem leicht rückläufigen Wachstum bei den Neueinstellungen geführt: Vorletztes Jahr haben noch 87 Prozent aller befragten Unternehmen neue Mitarbeiter eingestellt.

Immer noch steigende Umsätze

Bezüglich Umsatz sieht das Bild bei den insgesamt 48 befragten Unternehmen tendenziell gleich aus wie bei den Neueinstellungen: Zwar wächst die Branche offenbar weiterhin, allerdings weniger stark als noch vor einem Jahr. Letztes Jahr haben noch 97 Prozent der befragten Firmen ein Umsatzwachstum feststellen können, heuer sind es immerhin noch deren 83. Darf man allen befragten Firmen glauben, ist bei deren sechs der Umsatz um mehr als 30 Prozent gewachsen. In unserer letztjährigen Umfrage rechneten 10 Prozent aller Befragten mit einem Umsatzwachstum von mehr als 20 Prozent. Ob Zweckoptimismus oder nicht: 7 von 48 Unternehmen wollen auch 2009 um mehr als 20 Prozent wachsen. Die grösste Häufung ergibt sich zwischen sechs und 10 Prozent: 18 von 48 Unternehmen sind in dieser Grössenordnung gewachsen, genauso viele haben für nächstes Jahr dieselben Ziele. Nur 3 der 48 Unternehmen rechnen 2009 mit einem sinkenden Umsatz.

«Und die Krise?» - «Welche Krise?»

Erstaunliche Ergebnisse, bedenkt man, dass in den letzten Monaten alles nur noch von der anrollenden Krise spricht. IT Reseller wollte wissen, in welcher Form die Krise spürbar ist. Viele antworteten, sie würden ausser einer gewissen Nervosität noch nichts davon spüren. So zum Beispiel Lukas Haldemann, Geschäftsführer beim Zürcher Webentwickler und Verkehrsplaner Innotix: «Wo ist die Krise, von der alle reden? Ich finde sie nicht.» Namics-Chef Jürg Stuker fühlt hingegen jetzt schon Projektstops und reduzierte Budgets. Allerdings sei die Entwicklung weniger schlimm als in anderen europäischen Ländern und es gebe auch Impulse für Innovation und Erneuerungen. Netcetera-CEO Andrej Vckovski spürt vor allem eine Verlängerung der Entscheidungszyklen.
Zurückhaltung bei Investitionsentscheiden, aber neue Geschäftsfelder ortet auch Beat Welte, Head of Communications bei HP: «Stromeffiziente Geräte werden bevorzugt. Unsere ­Lösung zur Erhöhung der Energie­effizienz ist stark nachgefragt.» Auch René Burgener, Head of Commercial Division bei Swisscom IT Services, sieht mehr Chancen als Risiken im kommenden Jahr auf ihn zukommen und bestätigt den Trend zu Green IT aufgrund der betriebswirtschaftlichen Relevanz. Für Daniel Staehlin, CEO von Axept, führt dieser vor allem zu mehr Server-Konsolidierung. Martin Jung, Geschäftsleiter von First Frame Networkers, glaubt, dass dadurch vor allem die Auslagerung in Rechenzentren an Zuspruch gewinnt. Längst nicht überall werden die steigenden Stromkosten als Geschäftschance wahrgenommen: Immerhin 16 Prozent aller Befragten sprechen dem Thema Green IT aber Potential zu.

Trends Orientierung und Optimierung

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Dienstleister durch die drohende Krise gezwungen werden, Scheuklappen abzulegen und sich für neue Geschäftsfelder zu öffnen. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen wollen darin investieren. Im Gegenzug haben bei den geplanten Inves­titionsentscheiden die Mitarbeiterschulung und das Marketing arg an Priorität eingebüsst. Die grössten Hoffnungen liegen wie schon letztes Jahr im Geschäftsbereich Teil-Outsourcing. Das spürt auch Bruno Schmid vom SAP-Dienstleister Re­source Informatik: «Die einen haben Einstellungsstop und müssen die Aufträge durch externe Partner abwickeln lassen. Das heisst, unser Application Management und das Outtasking sind gefragt.» Bruno Richle, CEO von Crealogix, leidet laut eigenen Angaben an einem schmerzlichen Verlust auf einem langfristigen und als kapitalgeschützt angepriesenen «Lehman-Produkt». Als Reaktion hat man letzte Woche neu investiert: In das auf Unified Communication spezialisierte Unternehmen Webcall Deutschland. Richle befürchtet, dass sich die Rezession aus der Finanzkrise im zweiten Halbjahr auch in der Schweiz spürbar auswirken wird. Er sagt, dass parametrierbare Standardlösungen klare Marktvorteile gegenüber betreuungsintensiven Projekten mit Individuallösungen haben.

Stefan Dingerkus, Chief Customer Officer von Unic, meint, dass vielmehr Lösungen gefragt sind, die sich in bereits bestehende Unternehmensinfrastrukturen und in Prozesse integrieren lassen. Geschäftsprozess-Optimierungen werden laut den Teilnehmern unserer Umfrage zu den grossen Gewinnern im 2009 gehören, genauso wie Netzwerke/Kommunikation und die Neueinsteiger Energieeffizienz/Green IT, in welche immerhin jeder sechste Umfrageteilnehmer Hoffnungen setzt. Langsam aber sicher pirscht sich IT-Sicherheit an die Spitze, von Platz drei im letzten Jahr auf Platz zwei in diesem Jahr.


Doch nicht alles neu macht 2009: Während einige nachlassenden Lohndruck spüren, klagen andere immer noch über die schwierigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu Axept-CEO Daniel Stähelin: «Wir verspüren hohen Druck, weil die Löhne seit 2001 nie wirklich gesunken und in den letzten drei Jahren sogar wieder gestiegen sind. Allerdings hat sich der verrechenbare Stundensatz nicht im gleichen Masse geändert.» Zumindest letzteres dürfte wohl auch im neu angebrochenen Jahr so bleiben. (Claudio De Boni)


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