«Ohne Zahlen rollen Köpfe»

Seit 20 Jahren bringt Robert Weiss sein «Weissbuch» heraus. Die IT-Branche hat sich in dieser Zeit stark verändert. Mit IT Reseller sprach Weiss über die dynamische Branche und die Geschichte seines Werks.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/03

     

IT Reseller hat zur 20. Ausgabe des Weissbuches den Autor Robert «Röbi» Weiss zum Interview geladen. Die Geschichte geht zurück auf das Jahr 1986 und fällt zusammen mit der Zeitschrift Software-Trend. Compress-Gründer Michael von Babo beauftragte Weiss mit einer Übersicht des Schweizer Computer-Marktes. Daraus entstand eine jährliche Folge, für die er regelmässig Hersteller direkt befragte. 1989 erschien erstmals das Weissbuch als eigenständige Publikation und wird seither jährlich von einem Seminar mit Branchengrössen als Redner begleitet. Weiss hat sich damit selbst ein Denkmal in der Schweizer IT-Branche gesetzt.

Was waren in den 20 Jahren die grössten Meilensteine?

Robert Weiss: Als ich mit meinen ersten Umfragen begann, gab es nichts handfestes für den Schweizer Markt. Die Uni Freiburg und IHA erhoben Consumer-Zahlen, die von 3000 auf 30'000 hochgerechnet und verfälscht waren. Dann gibt es noch das Bundesamt für Statistik, das aus dem Gewicht der eingeführten Ware die PC-Zahlen erhob - was natürlich völliger Quatsch ist. Die Statistiken im Software-Trend weckten das Interesse der gesamten Branche, speziell von lokalen Herstellern. Deshalb fiel der Entscheid 1989, das Weissbuch einzeln herauszugeben - was ich dann übernahm. Den Titel Weissbuch habe ich 1992 geschützt. Ab 2006 haben wir dann den Druck eingestellt und brachten es nur noch als PDF heraus - dem Nutzerverhalten entsprechend.


Wie sah der Markt vor 20 Jahren aus?
Der Markt damals war vielseitiger als heute: mit viel mehr Herstellern; Prozessoren kamen nicht nur von AMD oder Intel sondern auch von anderen Herstellern wie Zion, Hitachi oder HP. Mir wird schwindlig, wenn ich an die vielen Statistiken denke, die wir bis zu den Traktaten der verschiedenen Prozessoren herunterbrachen. Das hat dann aber bald aufgehört, weil es einfach keinen Sinn mehr für die Hersteller machte, stundenlang Statistiken zusammenzutragen.

Gab es Momente des Zweifels, ob Du Dir das nochmals antun sollst?

Die gab es. Es wurde mit der Zeit immer schwieriger, an die Zahlen heranzukommen. Weil die ausländischen Hersteller die Zahlen vermehrt von IDC bezogen, setzen sie die Schweizer Vertretungen bis heute unter Druck, keine Zahlen herauszugeben.

Wo konntest Du IDC und Gartner eins auswischen?
Assemblierer werden von beiden nicht berücksichtigt. 1989 machten sie aber 25% des Marktes aus, heute weniger, aber sie sind immer noch eine feste Grösse in den Top 10. Wenn ich dann Hersteller wie NEC oder Sun, die nur Workstations anbieten, mit einigen dutzend Maschinen in den Top 10 sehe, verliert die Rangliste ihre Glaubwürdigkeit. Meine Zahlen sind auch immer höher, weil ich näher am Markt bin. Das hat vor acht Jahren dazu geführt, dass mich IDC zu einer Zusammenarbeit anfragte, damit sie sich ein genaueres Bild machen konnten.


Welche Hersteller sind deine Fans?
Diejenigen, die immer dabei sind am Seminar: Apple, HP und Acer. Und natürlich ist bei den Assemblierern immer grosses Interesse da. Für sie stellt das Weissbuch die einzige verlässliche Vergleichsgrösse bereit.

Welches Feedback eines Herstellers ist Dir in Erinnerung?
Wenn Zahlen nicht geliefert werden und dann tiefere Ränge herauskommen, als erwartet. Mich haben schon Chefs gefragt: «Wer ist dafür verantwortlich?» Dann rollten Köpfe.

Wie sieht die Zukunft mit Seminar und Weissbuch aus?

Ich erwäge derzeit die Möglichkeit, das Seminar zu kürzen und eventuell aufzuteilen. Dass am Morgen nur die Zahlen und Prognosen vorgestellt werden - hauptsächlich für die Journalisten und spezifisch daran Interessierte. Damit verkürzt sich der Seminaraufwand mit den Rednern um die Hälfte auf einen halben Tag - vielen ist der Aufwand zu gross geworden.

Was waren die grössten Flops der letzten 20 Jahre PC-Markt?
Der Tablet-PC hat überhaupt nicht funktioniert - bis auf ein paar wenige Aussendienstler. IBMs PS1, der Versuch, PCs nach Hause zu bringen, war ein völliger Flop. Auch Intels Teraherz-Transistor scheiterte an der Wärme-Entwicklung.


Was hat sich seither verändert?
Die Bedienung war eine Katastrophe. Erst der Mac bot überhaupt Maus und grafische Oberfläche. PC-Nutzer mussten sich in Windows 2.0 herumschlagen und blöde Dos-Kommandos eintippen. Erste Lans wurden gebaut und ISDN war gerade neu. (Interview Marco Rohner)


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