Mobile ERP als Geschäftschance

Der Markt für ERP-Software hat in den letzten Jahren unterdurchschnittlich zugelegt. Mobile ERP ist für die Anbieter nun eine Chance, das Wachstum wieder anzutreiben.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2010/10

     

Während in den Segmenten Business Intelligence (BI) oder Customer Relationship Management (CRM) zweistellige Wachstums­raten nicht ungewöhnlich sind, gibt es im ERP-Bereich (Enter­prise Resource Planning) Sättigungstendenzen. Dennoch können sich für Anbieter auch im ERP-Markt neue Geschäftsmöglichkeiten auftun. Nach Einschätzung des Analysten- und Beratungshauses Intelligent Systems Solutions (i2s) aus Zürich ist Mobile ERP eine solche Chance. Denn eine aktuelle Umfrage unter mittelständischen Unternehmen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland zeigt, dass der Anteil der Mobile-ERP-Anwender in den nächsten 18 Monaten um 16 Prozent steigen wird.

Smartphones und Mobilität

Mehrere Entwicklungen beeinflussen den Kernmarkt der Geschäftsanwendungen positiv. So finden Smartphones, angeführt von Apples iPhone, zunehmend auch unter beruflichen Nutzern Verbreitung. Damit ist die Hardware-Voraussetzung neben Notebooks erfüllt. Gleichzeitig sinken die Datentarife – mobiler Internet-Zugriff ist seit einigen Jahren kein Luxus mehr, sondern bezahlbar geworden. Zudem sind die Mitarbeiter mobiler. Sei es, weil sie vermehrt bei Kunden im Einsatz sind oder weil sie öfters von zu Hause arbeiten. In beiden Fällen sollte ein mobiler Zugriff auf das ERP-System möglich sein, um sinnvoll arbeiten zu können.

Hoher Erklärungsbedarf

Die Haupttreiber für den Einsatz von Mobile ERP sind laut Anwenderbefragung der Wunsch nach Zeitersparnis (57 Prozent der Nennungen), gefolgt von Prozessoptimierung (43 Prozent) und eine Verbesserung der Datenak­tualität (39 Prozent). Mobile ERP-Anwendungen finden sich momentan bei 30 Prozent der befragten Unternehmen. In absehbarer Zeit wollen zudem weitere 5 Prozent Mobile ERP einsetzen.
Derweil steht für knapp zwei Drittel der Einsatz von mobilen ERP-Applikationen nicht zur Diskussion, weil sie keinen Bedarf sehen (40%), die Nutzenargumentation der Hersteller bemängeln (27%) und die Investitionen als zu hoch bewerten (27%).
Und genau bei diesen Unternehmen müssen der Fachhandel und die Anbieter ansetzen. Mobile ERP ist ein erklärungsbedürftiges Gut, aber die Vorteile gerade im Bereich Kundenverwaltung und Vertrieb sind eigentlich offensichtlich. So erwarten die Befragten durch den Mobile-ERP-Einsatz im Bereich Vertrieb eine Verbesserung der Kundenkommunikation und eine erhöhte Kundenzufriedenheit (jeweils 44 Prozent). Einen dauerhaften Kundenzuwachs erhofft sich allerdings übrigens keiner der Befragten.
Während Punkte wie verbesserte Kundenkommunikation und erhöhte Kundenzufriedenheit aufwendig zu messen sind, lässt sich die Zeitersparnis von Kundendienstmitarbeitern und Vertrieblern gut darstellen. Durch den Einsatz von mobilen Applika­tionen für ERP-Systeme können beispielsweise die Termine für Mitarbeiter – insbesondere solche im Aussendienst – flexibel von einer zentralen Stelle eingeteilt werden. Dies bedeutet, dass der Mitarbeiter durch die ständige Erreichbarkeit sofort über die Termin­änderung informiert wird.
Mobile Geschäftsanwendungen sind aber nicht nur im Verkauf einsetzbar. Zu den weiteren Anwendungsbereichen zählen unter anderem mobile Datenerfassung in der Instandhaltung sowie die mobile Auftragserfassung und Terminermittlung beim Kunden. Auch für die Erfassung von Warenbeständen und die Meldung von Bestellungen an die Zentrale beim Aussendienst im Handel eignet sich Mobile ERP. Weitere Einsatzgebiete sind das mobile Ersatzteilwesen, das Projektmanagement sowie die Kommissionierung im Lager. Hierbei werden dem Smartphone oder dem PDA die Auftragsposten übermittelt, so dass der Mitarbeiter weiss, was auf die Paletten muss.

Implementierung und Schulung

Im kommenden Jahr werden nach einer Schätzung von Gartner rund 85 Prozent aller Mobiltelefone einen Browser haben. Somit wird es für die User immer leichter, mit dem Handy oder Smartphone eine Webseite abzurufen. Gartner erwartet, dass das mobile Web eine führende Rolle bei der Kommunikation zwischen Anbietern von Waren und Dienstleistungen und ihren Kunden spielen wird. Firmen müssen sich auf diese Entwicklung einstellen und ihre Vertriebs- und Marketingaktivitäten den neuen Gegebenheiten anpassen. Branchen, in denen mobile Lösungen besonders häufig eingesetzt werden, sind der Dienstleistungssektor sowie Versorgungs-, Logistik- und Telekom-Dienstleister. Für Reseller ergeben sich durch den Verkauf von Mobile-ERP-Lizenzen zahlreiche weitere Geschäftschancen. Hinzu kommen entsprechende Implementierungs- und Schulungsdienstleistungen und das Aufsetzen der entsprechenden Endgeräte. In der Regel benötigen die Mobile-ERP-Nutzer neue Hardware, sei es in Form von Notebooks oder von Smartphones oder auch von beidem. Des weiteren birgt der Abschluss von zusätzlichen Mobilfunktarifen zur Datennutzung Potential und stetige Einnahmequellen.

Nutzerkreis erweitern

Mobile Geschäftsanwendungen sind erklärungsbedürftig, bieten dem Fachhandel aber lohnende Geschäftschancen. Denn neben dem reinen Software-Lizenz-Verkauf fallen Implementierungsleis­tungen an. Wahrscheinlich müssen auch neue Notebooks und Smartphones mit entsprechenden Mobilfunkverträgen zur Datennutzung angeschafft werden. Doch die Anwender sind kritisch und bemängeln, dass die Anbieter es vielfach nicht schaffen, den Nutzen mobiler Anwendungen klar zu kommunizieren und den Bedarf zu wecken. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Zeitersparnis, Prozessoptimierung und aktuellere Daten sind die Hauptargumente.
Für die Software-Anbieter bietet sich die Möglichkeit, den Nutzerkreis ihrer Applikation im Unternehmen zu erhöhen. Denn circa 80 Prozent der Mitarbeiter nutzen ERP-Daten allenfalls mittelbar in ausgedruckter Form oder per E-Mail. Die mobilen Funktionen könnten mehr Anwender im Unternehmen direkt an die Applikationen anbinden. Hierzu benötigen die Firmen in der Regel zusätzliche Client-Lizenzen für die jeweilige Applikation. In Zeiten stagnierender Lizenzverkäufe eine erfreuliche Aussicht.

Der Autor

Frank Naujoks ist Leiter Research der i2s, Zürich.


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