Google-Urteil – das falsche Signal


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2011/05

     

Von Paul Brändli, Swico

Für die Schweiz als Wirtschafts- und Innovationsstandort ist der seit dem 30. März 2011 vorliegende Bundesgerichts-Entscheid zu Google Street View «nicht förderlich». SWICO und der Informatik- und Telekommunikations- Dachverband ICTswitzerland nehmen das Urteil deshalb mit Sorge zur Kenntnis.
Zwar muss in der Nähe von sensiblen und exponierten Orten der vollständige Schutz des eigenen Bildes garantiert sein. Doch die allgemeine 100-prozentige Verfremdung von Personen- und Objekt-Bildern wirft in seiner Konsequenz zahlreiche rechtliche Fragen auf.

Extrem-Forderungen schaden

Unstrittig ist der Datenschutz gerade in der Schweiz ein wichtiges Gut, nicht zuletzt bei digital gespeicherten Bildern. Doch die technischen Möglichkeiten bei einer so beliebten Anwendung wie Street View sollten nicht mit extremen Forderungen überstrapaziert werden. Eine realistische Fehlerquote von nur einem Prozent, bei der automatischen Verfremdung, liegt in einer technisch praktikablen Toleranz für die meisten Google-Bilder. Und sie ist weithin akzeptiert. Dass in einzelnen Bereichen der vollständige Schutz des eigenen Bildes verlangt wird, steht dabei ausser Frage. Google kommt solchen Forderungen manuell nach und nimmt auf Wunsch jedes Bild innerhalb von 48 Stunden vom Netz. So ist ein sehr hoher Datenschutz heute bereits Realität.

Folgen der Ungleichbehandlung

Auf Grund des Urteils besteht nun die Gefahr, dass die Schweiz künftig auf den innovativen und nützlichen Dienst verzichten muss und davon zahlreiche andere Bereiche tangiert werden. Denn derzeit wird nur von Google die 100-prozentige Anonymisierung von Bildern erwartet. Offen ist, ob derart strenge Massstäbe bei weiteren Anbietern digitaler Bilder im Internet angewendet werden. Ausserdem betrifft der Entscheid die gesamte bisherige Medienordnung. Bilder und Filme der Me­dien erfassen im öffentlichen Raum ebenfalls unbeteiligte Passanten und Häuser. Bisher müssen sie noch nicht anonymisiert werden. Ungeklärt sind auch die Konsequenzen für öffentliche Webcams. Wird daran festgehalten, dass Google als Anbieter von geografischen Informationsdaten zu 100 Prozent anonymisieren muss, hat das erhebliche Auswirkungen.
Der Schutz der öffentlichen Sphäre wird damit, entgegen der allgemeinen Entwicklung, unverhältnismässig drastisch vorangetrieben und lässt zahlreiche weitere Klagen erwarten.


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