«Keine Konkurrenz mit Partnern»
Quelle: Cisco

«Keine Konkurrenz mit Partnern»

Seit vier Monaten führt Christian Martin die Geschicke von Cisco Schweiz. Mit «Swiss IT Reseller» hat er über die ersten Erfahrungen als Cisco-Chef und seine Pläne gesprochen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2011/12

     

Anfang August 2011 und somit pünktlich zum Beginn des Fiskaljahres 2012 hat Christian Martin (39) die Führung von Cisco Schweiz übernommen. Martin löste Eric Waltert ab, der die Position seit 2008 innehatte und nun innerhalb des Unternehmens zum EMEA Leader of Collaboration in der Enterprise-Business-Gruppe befördert wurde. Christian Martin verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der IT-Industrie und ist seit 1998 für Cisco tätig. «Swiss IT Reseller» hat mit ihm über die ersten Monate an der Spitze von Cisco Schweiz gesprochen.
Swiss IT Reseller: Sie sind seit rund vier Monaten im Amt. Wie sieht Ihre erste Zwischenbilanz aus?
Christian Martin, General Manager Cisco Schweiz:
Der Job macht mir sehr viel Spass. Er ist sehr herausfordernd, aber auch sehr breit.

Wie sehr hilft es Ihnen, dass Sie vor der Ernennung zum Schweizer Länderchef schon seit Jahren für Cisco gearbeitet haben?
Es hilft mir sehr und ich kann gut einordnen, welche Themen wichtig und welche weniger wichtig sind. Und ich verstehe, wo die Herausforderungen liegen. Es ist sicher einfacher, über meinen Weg einen Einstieg in diese Cisco-Welt zu erhalten, wo doch noch sehr viel technologisch getrieben ist und auch teilweise eine ganz eigene Sprache gesprochen wird.


Welche Situation haben Sie vorgefunden, als Sie den neuen Job angetreten haben?
Die Stimmung war sehr gut. Ich habe die Schweiz in einem exzellenten Zustand übernommen, die Mitarbeiter sind sehr motiviert. Es ist nicht einfach, ein Land fast auf seinem Höhepunkt zu übernehmen und dann noch weiter auszubauen. Auf der anderen Seite ist es dankbarer, wenn man zufriedene Mitarbeitende und eine gut geführte Organisation übernehmen kann im Vergleich zu einem Team, bei dem alle auf dem Absprung sind.


Welche Umstellungen gab es seit Ihrer Ernennung?
Wir haben auf der personellen Seite im Management einige Veränderungen vorgenommen.

Also haben Sie Mitarbeiter entlassen?
Wir haben zwei Vertriebsleiter-Positionen neu besetzt. Ein Manager hatte schon lange den Wunsch geäussert, sich intern neu zu orientieren und der andere hat sich extern orientiert.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich momentan konfrontiert?
Die grösste Herausforderung ist, uns als Organisation im sich verändernden Marktumfeld richtig aufzustellen. So analysieren wir zum Beispiel, wie wir unsere Vertriebsorganisation für Cloud Computing richtig aufstellen müssen und natürlich auch, was für neue Kompensationsmodelle erforderlich sind.

Wo sehen Sie Cisco im Cloud-Umfeld?
Cisco bekennt sich im Cloud-Umfeld als erstes zur Partner-Landschaft. Das heisst, wir wollen unsere Partner im Service-Provider-Umfeld nicht mit eigenen Cloud Services konkurrenzieren, wie das andere Hersteller teilweise tun. Unsere Strategie ist es, die Cloud Provider mit der dafür benötigten Infrastruktur auszurüsten. Als Cloud-Infrastruktur-Provider sehe ich uns gut positioniert. Mit UCS (Unified Computing System) und Nexus haben wir sehr früh eine Datacener-Architektur auf den Markt gebracht, die von den Kosten her günstig zu betreiben ist. Zudem haben wir durch die Akquisition von Tidal und Newscale eine flexible Management- und Orchestrierungs-Software dazu bekommen. Cloud steht für Wolke und die Wolke ist das Symbol für das Netzwerk. Man bezieht die Dienste also aus dem Netz. Die IT geht also in eine ‹netzzentrische› Richtung und wir als Netzprovider – unsere Kernkompetenz – sind gut dafür aufgestellt.
Im Mai 2011 hat Cisco Restrukturierungen angekündigt und seine Geschäftsbereiche in fünf Segmente zusammengefasst. Inwiefern hat diese Restrukturierung Cisco Schweiz betroffen?
Wir geben keine Zahlen bekannt, die Schweiz war aber auch betroffen. Cisco ist über die Jahre kontinuierlich gewachsen und in viele Geschäftsfelder reingekommen. Mit den aktuellen Marktveränderungen mussten wir analysieren, ob wir noch schlagkräftig und innovativ genug sind, um im Markt schnell reagieren zu können. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, uns wieder mehr auf unsere Kerntechnologien zu konzentrieren. Wir sind hierzulande gerade an der Front aber gestärkt und mit mehr Leuten als Kundenbetreuer aus dieser Restrukturierung hervorgegangen. Wir haben auf dem Markt draussen nicht abgebaut.


Aber es gab einen Stellenabbau in der Schweiz?
Ja. In welchem Rahmen kann ich aber leider nicht kommentieren.
Sie haben vorhin gesagt, Cisco sei gut positioniert für aktuelle Herausforderungen. Trotzdem musste Cisco die Umsatzprognosen senken. Ursprünglich hatte Cisco 12 bis 15 Prozent jährliches Wachstum angestrebt, nun rechnet man noch mit 5 bis 7 Prozent. Wieso diese Anpassung?
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen hat Cisco früh den Zusammenbruch des US-Public-Sector-Marktes erkannt. Das hat uns einige Prozentpunkte vom Umsatzziel weggenommen. Und zum anderen gibt es einen Preiszerfall bei der Bandbreite. Wenn man heute den Preis eines 10-Gbit-Ethernet-Interface im Vergleich zu vor einem Jahr anschaut, so hat er massiv abgenommen.


In welchem Segment ist die Konkurrenz momentan am stärksten?
Wir haben in jedem unserer Technologiesektoren sehr gute Mitbewerber. Aktuell gibt es im klassischen Kerngeschäft von Cisco eine Konsolidierung. Mitbewerber kaufen sich gegenseitig auf, wollen Marktanteile gewinnen und verfolgen zum Teil sehr aggressive Preisstrategien. Wir hingegen verfolgen eine Langzeitstrategie. Wenn man Lösungen wie zum Beispiel eine Datacenter-Infrastruktur anschaut, dann wurde diese bei Cisco über Jahre entwickelt und es steckt sehr viel Innovation drin. Diesen Vorsprung kann man nicht einfach so mit zwei, drei Akquisitionen wegmachen. Zudem muss es eine einheitliche Architektur sein. Das ist unser grösster Value Add, mit dem wir unseren Mitbewerbern in diesem Segment entgegentreten können.

Sind Übernahmen für Cisco trotzdem ein Thema?
Übernahmen sind immer ein Thema. Wir treiben unsere Entwicklung über die drei Schienen interne Entwicklung und Forschung, wo mit jährlich fast 6 Milliarden Dollar ein grosser Teil (14%) unseres Umsatzes hingeht, Innovation über Akquisition und Innovation über Venturing. Wenn ein Mitarbeiter eine Idee hat, dann ist es in einer Grossfirma wie Cisco nicht so einfach, diese umzusetzen. Damit diese Idee aber schnell realisiert werden kann, gibt Cisco dem Mitarbeiter Geld, um ein eigenes Business aufzuziehen. Unternehmen werden dann wieder zurückgekauft und integriert.


Was müsste eine Firma haben, um momentan ein Übernahmekandidat zu sein? In welchem Bereich könnte Cisco noch Verstärkung gebrauchen?
Es gibt viele interessante Unternehmen. Cisco positioniert sich als IT-Infrastruktur-Player. In diesem Bereich können wir so ziemlich alles abdecken, was von den Kunden gefordert ist. Margen-technisch ist das Software Business sicherlich am spannendsten, jedoch liegt der Fokus zurzeit am meisten beim Thema Mobilität. Es gibt sicher noch Potential in vielen Bereichen. Mein persönliches Ziel ist es, dass wir mal eine gute Schweizer ICT Firma kaufen. Bis jetzt haben wir trotz über 150 Firmenkäufen keine einzige Übernahme in der Schweiz getätigt. Und dies trotz zahlreicher innovativer Start-ups, die es hierzulande gibt.

Im November 2010 hat Cisco den Flip Camcorder in der Schweiz lanciert, im April 2011 wurde dieses Geschäft wieder eingestellt. Die angestrebte Consumer-Strategie hat also nicht funktioniert. Wieso das?
Flip ist ein klassisches Beispiel für die Konzentration auf Kernkompetenzen, denn dabei musste man einige harte Entscheidungen treffen.

Ist der gesamte Consumer-Bereich von Cisco mit der Restrukturierung verschwunden?
Cisco ist von seiner Geschichte her natürlich im klassischen Business-to-Business Umfeld stärker vertreten. Wir sind jedoch mit Settop-Boxen und unseren Small- and Medium-Business-Linien noch immer im Consumer-Sektor aktiv. Wir werden aber nicht wie Apple, Samsung oder Sony auf der Endkundenseite mit einem riesigen Vertriebskanal oder Marketing-Aufwand Produkte an den Mann bringen.


Dann hat die ganze Flip-Geschichte eigentlich nie in die Cisco-Strategie gepasst, weil die Flip-Kamera ein Consumer-Gerät für den Privatanwender ist.
Genau. Es gibt sicher auch einen Business-Value für die Flip. Allerdings hat sich die Kamera als Medium nicht durchgesetzt. Dazu haben sicher auch Smartphones beigetragen, die heute alle mit einer hochwertigen Kamera ausgerüstet sind.
Aus meiner Sicht stehen wir am Anfang einer Video-Revolution im Business-Umfeld. Jede Firma hat ein Expertenproblem und es geht bei vielen Firmen darum, wie man das Expertenwissen effizient an die Front bringen kann. Dort wird Video ein wichtiger Teil der Lösungsfindung sein.

Welcher Geschäftsbereich wächst aktuell am stärksten?
Das Segment Datacenter läuft sehr gut. Hier verzeichnen wir Wachstumsraten, die über den Erwartungen liegen – auch in der Schweiz. Der ganze Kommunikationsbereich wächst auch sehr gut, jedoch darf man sagen, dass das vergangene Jahr sicherlich das Jahr der Videokommunikation war.

Welche Bilanz möchten Sie in einem Jahr als Schweizer Länderchef ziehen können?
In einem Jahr sollen unsere Kunden gleich zufrieden oder noch zufriedener sein mit ihrer Wahl von Cisco. Zudem wünsche ich mir weiterhin zufriedene Mitarbeiter. Und schliesslich erhoffe ich mir, dass wir dann im Server-Umfeld die Nummer zwei im Markt sind und dass die Schweizer Firmenkunden untereinander nicht mehr mit klassischen Telefonen, sondern über Business Video kommunizieren.


Sprechen wir noch etwas über den Channel. Wie wichtig ist der Channel in der Schweiz für Cisco?
Er ist sehr wichtig – vielleicht das Wichtigste überhaupt. Wir dürfen in der Schweiz auf eine starke und hoch kompetente Cisco-Partnerlandschaft zählen, was auch von unseren Kunden sehr geschätzt wird. Mein Team steckt sehr viel Effort in die Weiterentwicklung und die Qualitätssicherung bei unseren Partnern.

Wie gross ist der Anteil des indirekten Geschäfts am gesamten Geschäft in der Schweiz?
Wir nennen keine konkreten Zahlen, aber der grösste Teil geht hierzulande indirekt. Wir haben eigentlich ausschliesslich im Service-Provider-Umfeld direkte Business-Modelle, ansonsten ist alles indirekt. Und das soll so bleiben. Denn es hat sehr viele Vorteile: Der Integrationspartner ist nahe beim Kunden und spürt diesen direkt. Und dadurch erhalten wir auch eine Kundennähe, die wir selber direkt nie erreichen könnten.

Welche Herausforderungen stehen im Channel aktuell an?
Für die Partner stellt sich angesichts der rasanten Veränderung der ICT-Welt die Frage, in welchen Feldern sie Investitionen tätigen, um das Know-how aufzubauen und kompetent am Markt auftreten zu können. Nehmen wir als Beispiel nochmals das Rechenzentrum. Im Rechenzentrum hatte man früher den Netzwerk-, den Storage-, den Server- und den Virtualisierungs-Partner. Durch die Konsolidierung suchen die Kunden heute einen Partner, der das alles zusammen implementieren kann. Das sind ganz andere Herausforderungen als früher.


Wie unterstützt Cisco die Partner in diesem Umfeld?
Wir bieten unter anderem Schulungen, Technologie-Updates, Zertifizierungen und Level-Unterstützungen. Um auf das vorhin genannte Beispiel zurück zu kommen: Im Bereich Datacenter Engineering haben wir ein Ausbildungsprogramm für die Mitarbeiter der Partner lanciert, welches es am Markt wohl so nicht gibt.

Sind Sie hierzulande auf Partnersuche?
Wir akquirieren konstant neue Partner, vor allem im unteren Marktsegment, wo es sehr viele geografisch und vertikal spezialisierte IT-Firmen gibt. Und auch im Highend-Umfeld, gerade im Bereich Server, der für uns noch immer ein neuer Markt ist, gibt es sicher noch einige grosse Server-Partner, die wir gerne in unserer Partnerlandschaft hätten. (abr)


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